Differenzialsperre

Eine Differenzialsperre ist eigentlich Pflicht bei einem Rennfahrzeug. Erfreulicherweise gab es die für den 944 S2 und Turbo als Zusatzoption (M220) mit 40%igen Sperrwirkung. Falls sie im zukünftigen Ringtool nicht bereits verbaut ist, kann diese nachgerüstet werden. Entweder tauscht man das komplette Differential gegen eines mit Sperre oder man rüstet das Differential mit einem Sperreinsatz nach. Letzteres ist nicht ganz trivial und sollte von einem Fachmann bzw. Fachbetrieb durchgeführt werden. Für eine kürzere Übersetzung kann auch auf ein Differenzial eines 944/1 zurückgegriffen werden und dieses mit einem Sperreinsatz nachgerüstet werden.

Da im Internet zum Thema Differenzialsperre ziemlich viel Halbwissen und Fehlinformationen kursieren, versuche ich im Folgenden etwas Licht in dieses komplexe Thema zu bringen und das Ganze auch reich zu bebildern, damit es leichter nachvollziehbar ist.

Welche Arten von Sperrdifferenzialen gibt es und welche machen Sinn?

Für den Einsatz im Motorsport (egal ob Rundstrecke, Rallye oder zum Driften) wird seit den 50er Jahren (!) und bis heute vorzugsweise ein "Lamellen-Selbstsperrdifferenzial" eingesetzt. Also genau das System, welches es glücklicherweise auch für den 944 Turbo und S2 ab Werk zu bestellen gab. Diese Sperre ist also eine perfekte Basis für unsere Zwecke!

Die Sperre beinhalten spezielle Reiblamellen-Pakete, die über Druckplatten aufeinandergepresst werden und durch die entstehende Reibung ein gewisses Maß an Sperrwirkung erzeugen. Sie sind "drehmoment-fühlend" (torque-sensing) und i.d.R. zusätzlich mit einem Festsperrwert versehen, der über die Vorspannung definiert wird. Dieser Sperrentyp unterliegt konstruktions- und funktionsbedingt einem Verschleiss und muss entsprechend in bestimmten Intervallen je nach Einsatzart bzw. Grad der Beanspruchung revidiert werden! Der Sperrgrad kann anhand der verwendeten Reiblamellen bzw. deren Beschichtung, anhand der Anzahl der verwendeten Lamellenpakete sowie anhand der Spreizung der Einschnitte in den Druckringen angepasst werden. Zusätzlich kann eine sog. "Vorspannung" über Tellerfedern eingestellt werden. Diese Federn drücken die Lamellenpakete permanent etwas aufeinander und spannen diese damit vor. So liegt auch dann eine Sperrwirkung (also der o.g. "Festsperrwert") an, wenn das Differenzial "lastfrei" ist bzw. an einem Rad kein Drehmoment anliegt.

Die Seriensperre im 944 hat auf beiden Seiten ein Lamellenpaket jeweils bestehend aus einer Innen- und einer Aussenlamelle. Es sind also insg. vier Lamellen verbaut. Dazu ist sie per Tellerfedern vorgespannt. Die Druckringe sind mit einem gleichmäßigen Spreizwinkel von 30 ° je Seite versehen, der dementsprechend auf Zug und Schub identisch sperrt! Diese Kombination bringt einen maximalen Sperrgrad von 40%, sofern die Lamellen noch in Ordnung und nicht im Laufe der Zeit arg verschlissen sind! Es handelt sich um eine "2-way" Sperre, die also sowohl auf Zug ("power"... Gas geben) als auch auf Schub ("coast"... Rollen/Bremsen) dieselbe Sperrwirkung hat! Die Seriensperre hatte eine leichte Vorspannung!

Dieser Sperrentyp bietet sehr viele Anpassungsmöglichkeiten an die eigenen Wünsche und den Einsatzzweck des Fahrzeugs. Diesem komplexen Thema habe ich eine eigene Seite gewidmet, damit es hier nicht zu unübersichtlich wird.

Der Vollständigkeit halber kurz ein paar Worte zu weiteren Varianten von Differenzialsperren, die in anderen Porsche-Modellen zum Einsatz kamen und auch in ein 944 Differenzialgehäuse eingebaut werden können:

Diese Sperren kamen beim 968 zum Einsatz und sind wie die Lamellensperren "drehmoment-fühlend". Bei diesem Sperrentyp ist aber kein Festsperrwert einstellbar. Sofern also ein Rad in der Luft hängt oder auf einer Eisplatte steht, gibt es keinen Vortrieb und das Differenzial verhält sich gleich einem offenen Diff. Grund hierfür ist, dass am durchdrehenden Rad Null Drehmoment anliegt und entsprechend auch jeder Prozentsatz (also der Sperrgrad) von Null ebenfalls Null ist. Im Rundstreckeneinsatz lässt sich dieses Problem aber locker verschmerzen, da man in der Praxis i.d.R. keinen vollständigen Drehmomenteinbruch zu befürchten hat. Vorteil im Gegensatz zur Lamellensperre ist das sanfte und gleichmäßige Ansprechverhalten. Diese Sperren sind sehr angenehm und einfach zu fahren.
Torsen-Sperren sind grundsätzlich ein brauchbarer Ersatz zu Lamellensperren und unterliegen auch keinem Verschleiss in dem Maße, wie das Lamellensperren tun. Insofern findet man diese Sperreinsätze durchaus häufig in sehr sportlich ausgelegten Fahrzeugen und speziell in drehmomentstarken, anspruchsvoll zu fahrenden Sportwägen.

Das offene Differenzial ist in allen Fahrzeugen verbaut, die keinerlei Sperre haben. Es ist also die mit Abstand am meisten verbreitete Variante. Für den Motorsport-Einsatz leider völlig unbrauchbar. Ein Tausch gegen ein Sperrdifferenzial ist eigentlich unausweichlich! Sobald ein Rad Schlupf bekommt und durchzudrehen beginnt, wird das andere Rad (welches noch Grip hätte) nicht mehr weiter angetrieben und die ganze Motorkraft verpufft am durchdrehenden Rad. Statt Vortrieb gibt es dann nur noch Reifenabrieb.

Was bewirkt eine Lamellensperre?

Eine Lamellensperre kennt zwei Zustände: voll gesperrt (spool) oder differenzierend (differentiating). Zunächst ist das Sperrdifferenzial voll gesperrt, sobald es unter Last steht. Beide Räder drehen also gleich schnell und es findet kein Drehzahlunterschied statt. Erst wenn die Drehmomentdifferenz des linken und rechten Rades den maximalen Sperrgrad überschreitet, beginnen die Lamellenkupplungen zur rutschen (Übergang von Haft- in Gleitreibung) und die Sperre lässt ab dem Moment unterschiedliche Raddrehzahlen zu.

Im Schubbetrieb (der Wagen rollt... z.B. beim Anbremsen) wird durch die Sperre die Hinterachse stabil gehalten. Sofern ein Rad mangels Grip stehen bleiben "will", nimmt die Sperre dieses Rad wieder mit und verhindert damit ein nervöses Heck. Nachteil hierbei ist, das dieser Effekt beim Einlenken in die Kurve zu einem ungewollten Untersteuern führt (Fahrzeug lenkt unwillig ein und schiebt stattdessen geradeaus weiter über die Vorderräder).

Dieser Effekt verringert sich nach und nach, wenn der Anbremsvorgang abgeschlossen ist und das Fahrzeug wieder auf dem Gas "gezogen" wird. Beim Übergang vom Schub- in den Zugbetrieb (wenig/keine Motorlast am Differenzial) liegt dann idealerweise keine Sperrwirkung an und das Fahrzeug kann "neutral" durch die Kurve rollen, so als hätte es ein offenes, ungesperrtes Differenzial. Sofern aber eine Vorspannung gefahren wird, liegt diese Vorspannung und der damit verbundene Sperrgrad auch in dieser neutralen Stellung zwischen Schub und Zug an und führt weiterhin zu einer entsprechenden Untersteuer-Tendenz! Insofern wird bei Rennfahrzeugen gerne auf Vorspannung verzichtet, um dem Untersteuern entgegen zu wirken.

Beim folgenden Herausbeschleunigen aus der Kurve sperrt die Sperre nun wieder und verhilft dem kurvenäusseren Rad zu mehr Drehmoment und verhindert das Durchdrehen des inneren Rades. So wird die Leistung des Fahrzeuges optimal genutzt und verteilt und ideal in Vortrieb umgesetzt. Sofern zu viel Gas eingesetzt wird, kommt es zu einem, für den versierten Fahrer, sehr gut zu kontrollierenden und dosierenden Leistungsübersteuern. Man kann das Fahrzeug so mit leichtem Schlupf auf beiden Rädern aus der Kurve "rausziehen". Bei einem nicht gesperrten Differenzial würde in dieser Situation nur das kurveninnere Rad durchdrehen und den Vortrieb stark einschränken!

Welches Sperrensetup für welchen Zweck?

Die 944 Seriensperre ist wie schon erwähnt eine sehr gute Basis! Die Frage ist nun, wie man Gutes noch besser machen bzw. für seinen individuellen Einsatzzweck und Anpruch weiter optimieren kann.

Je höher der Sperrgrad, desto früher (schub) bzw. länger (zug) sperrt die Sperre und desto extremer ändert sich auch das Fahrverhalten im Vergleich zu einem "normalen" Auto. Eine funktionierende (nicht verschlissene) 40% Seriensperre ist bereits deutlich spürbar, wenn man flott aus einer engen Kurve (z.B. Kreisverkehr) herausbeschleunigt. Das Fahrzeug hat viel mehr "Zug" nach vorne. Der Fahrstil muss jedoch nicht erheblich an die Sperre angepasst werden, man kommt mit den 40% schnell gut zurecht. Durch die moderate Vorspannung liegt permanent ein gewisser Sperrgrad an und da der maximale Sperrgrad niedrig ist, bleibt das Auto auch für weniger versierte Fahrer gut berechenbar. Eine frisch revidierte Seriensperre ist also durchaus ein sehr guter Startpunkt für Sperren-Neulinge, egal ob man damit Rennstrecke fahren oder exzessiv driften will (und selbst im normalen Straßenverkehr will man so eine Sperre schnell nicht mehr missen!).

Sofern man seine Sperre in Richtung Rundstrecke optimieren will und schon etwas Erfahrung mit der "normalen" Sperre gesammelt hat, wäre das Ziel ein höherer Sperrgrad und möglichst geringe Untersteuer-Neigung. Realisiert werden kann das durch zusätzliche Lamellenpakete und lässt ggf. die Vorspannung weg.

Zum Driften, speziell auf stark wechselnden Untergründen (nasse Betonplatten, Weiterdriften wenn ein Rad im Gras ist, Eis & Schnee...), nimmt man einen sehr hohen Sperrgrad, jedoch sollte die Vorspannung erhalten bleiben bzw. sogar im Vergleich zur Serie etwas erhöht werden.

Als sehr sportliche Allround-Sperre würde ich folgendes Setup empfehlen: 45% Sperrgrad in beide Richtungen mit moderater Vorspannung, realisiert mit 45°-Druckplatten sowie zwei Lamellenpaketen je Seite. Dieses Setup ist ein guter Kompromiss für jeden Einsatzzweck, die doppelten Lamellenpakete wirken sich positiv auf die Haltbarkeit und das Ansprechverhalten aus.

Wie kann ich feststellen, ob ich eine Sperre verbaut habe?

Da es beim 944 den Sperreinsatz als Zusatzoption in den Aufpreislisten gab kann es sein, dass bereits eine Sperre verbaut ist.

Anhand dieses Tests weis man nun schonmal, ob ein Lamellen-Sperreinsatz verbaut ist oder nicht. Leider lässt das aber noch keine Rückschlüsse über den Zustand der Sperre und insbesondere der Reiblamellen und Druckringe zu. Bei Sperreinsätzen mit Laufleistungen von weit jenseits der 100.000 km kann eigentlich davon ausgegangen werden, dass mindestens die Lamellen erheblich verschlissen sind... ggf. auch die Druckringe. Eine Revision ist i.d.R. immer sinnvoll und nötig. Dies gilt fast ausnahmslos auch für die auf dem Gebrauchtmarkt gehandelten Sperrdiffs! Diese sollten vor dem Einbau immer erst geöffnet, geprüft und vermutlich dann revidiert werden.

Aussagen über den Zustand der Sperre zu treffen, ohne diese zu öffnen sind eigentlich nur durch entsprechende Fahrübungen möglich. Ein routinierter Fahrer mit Sachverstand und v.a. Erfahrung im Umgang mit Sperrdifferenzialen kann recht schnell brauchbare Aussagen treffen. Wenn jemand bisher wenig oder keine Erfahrung mit Sperren hat, wird es schwieriger. Generell kann man sagen, dass eine intakte 40% Sperre bereits bei flotter Kurvenfahrt ein deutlich anderes Fahrgefühl vermittelt als ein ungesperrtes. Aber auch hier kommt es wieder auf den Popometer des jeweiligen Fahrers an.

Daher gilt generell: Am besten öffnen und reinschauen!

Für Umbau- und Revisions- sowie Teileanfragen bitte an mich wenden.

Noch detailliertere Informationen rund um das Thema "Sperre" habe ich auf einer eigenen Website zusammengestellt: www.limitedslip.de